Unternehmen müssen Raum schaffen

für den Dialog mit quirligen Start-ups!

9. April 2021


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Uli Huener, ehemaliger Chief Innovation Officer von EnBW und jetzt als Unternehmer und Berater aktiv, erzählt im Gespräch mit Daniel Rexhausen, wie sich Innovation in bestehende Strukturen einfügen lässt, wie die Zusammenarbeit von etablierten Unternehmen mit Start-ups gelingt und wo die Chancen der Digitalisierung für das B2B-Geschäft liegen.

 

Daniel Rexhausen: Hallo Uli, was treibt dich um, wenn wir über das Thema Innovation sprechen?

 

Uli Huener: Was mich immer wieder als Herausforderung beschäftigt, ist die Frage, wie man etablierte Unternehmen und Start-ups zusammenbringt. Wie schafft man es, die Großen auf die schnellen und quirligen Kleinen, die was wirklich Gutes können, aufmerksam zu machen? Wie gelingt es, diese Mischung zu noch mehr Wert zusammenzubringen? Der Punkt ist, das hat viel mit den Unternehmenskulturen auf beiden Seiten zu tun.

 

Daniel Rexhausen: Dem stimme ich zu. Wenn große Unternehmen mit einer Start-up-Mentalität verschmelzen sollen, habe ich das bislang immer scheitern sehen. Wie lässt sich das ändern?

 

Uli Huener: Es fängt damit an, dass der Vorstand eines großen Unternehmens den Wert der Zusammenarbeit erkennt. Ich habe die vergangenen sieben Jahre die Innovation für die EnBW aufgebaut und das ist mir nur deswegen gelungen, weil der CEO verstanden hat, dass wir neben der Weiterführung des Kerngeschäfts auch Markttrends und zukünftige Entwicklungen antizipieren müssen. Daraus entstehen neue Produkte und Geschäftsmodelle, die wiederum dem Kerngeschäft zugutekommen. Für die Zusammenarbeit mit Start-ups, den kleinen, quirligen Andersdenkenden, muss ein eigener Raum geschaffen werden. Es braucht einen Facilitator, also Menschen als Prozess- oder Dialogbereiter, die beide Welten gut verstehen. Mein großer Vorteil war, dass ich in den Jahrzehnten meiner Arbeit immer wieder auf beiden Seiten gearbeitet habe. Ich war Geschäftsführer Vertrieb bei der EnBW und habe dort das klassische Kerngeschäft betrieben und war CEO von Yello Strom, einer kleinen, gewachsenen Tochter Firma der EnBW. Ich weiß, wie der große Tanker auf die kleinen Bötchen guckt. In beiden steckt ein Wert und das zu koordinieren, das ist nicht trivial. Aber man kann es schaffen, wenn man es richtig macht. Die Veränderungsgeschwindigkeit im Markt ist heute so hoch, da müssen die großen Unternehmen aufpassen, dass sie nicht links oder rechts überholt werden. Deshalb sehe ich für die Start-ups perspektivisch echt gute Chancen.

 

Daniel Rexhausen: Du kommst von Strom-Firmen. Die haben nur wenige Differenzierungsmöglichkeiten über das Produkt.

 

Uli Huener: Als ich 2009 zu Yello nach Köln ging, gab es ein Produkt und das war Strom. Einziges Unterscheidungskriterium war die Farbe Gelb. Yello war als Tochter der EnBW zunächst finanziell gut aufgestellt. Deshalb konnte man Vertriebler an die Haustüren klopfen lassen, um Strom zu verkaufen. Man muss bei solchen Geschäftsmodellen aber genau ermitteln, wie viel Vertriebs- und Marketingkosten man sich überhaupt leisten kann. Promoteams in die Fußgängerzonen zu schicken, ist teuer. Da muss der Kunde über Jahre beim Stromanbieter bleiben, damit sich seine Unterschrift überhaupt rentiert. Also wagten wir den Schritt von offline zu online und stellten Marketing und Vertrieb auf komplett neue Füße. In den Jahren 2010 und 2011 haben wir aus Yello eine Webcompany gemacht. Anfangs wussten wir noch gar nicht so genau, was das bedeutet. Aber eines war klar, über das Web waren Kunden gezielter, effektiver und auch zu ganz anderen Kosten ansprechbar. Online muss man es hinbekommen, für die Kunden so attraktiv zu werden, dass die sich für die Webseite und das Portfolio interessieren. Die Lösung war, auf mehr digitales Marketing und Analytik zu setzen und die Cost-per-Order zu senken. So konnte man kosteneffizienter werden und sich wieder Richtung Erfolg und Kundenwachstum bewegen.

 

Daniel Rexhausen: Die klassischen Branchen, für die wir tätig sind, hatten vor der Pandemie wenig mit digitalem Marketing und digitalem Vertrieb zu tun. Das hat sich jetzt geändert durch den Wegfall von Neukundenkanälen wie den Messen. Das Know-how bewegt sich aber noch auf überschaubarem Niveau.

 

Uli Huener: Das ist ja auch eine enorme Herausforderung für das klassische mittelständische Unternehmen, bei dem das gute Produkt im Mittelpunkt steht und die klassische Marketingmethode bislang gereicht hat. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass wenn die sich nicht sputen, dann werden sie schon bald ein großes Problem haben. Ich komme ursprünglich aus der IT und habe in den 1980/90ger Jahren auch die Transformation von Firmen wie IBM miterlebt. Die hätten nie gedacht, dass ihr Business irgendwie unter Druck geraten könnte. Deshalb kann ich nur jedem Mittelständler raten, früh genug zu antizipieren, was auf seinem Markt passiert. Die product-only-Logik wird in Zukunft immer weniger Erfolge einfahren. Corona ist der Katalysator, um Marketing und Vertrieb auf ganz neue Beine zu stellen.

 

Daniel Rexhausen: Und da ist es mit einem digitalen Webauftritt alleine nicht getan. Ich brauche Traffic-Kanäle, User Experience und eine digitale Customer Journey.

 

Uli Huener: Wer im mittelständischen Bereich hat denn bisher überhaupt verstanden, was eine Customer Journey ist. Die haben ihr Produkt auf die Theke gestellt und dann kam jemand und hat es abgeholt. Jetzt muss der Mensch hinter der Theke den anderen erklären, warum sie sein Produkt kaufen sollen. Aber wenn die Digitalisierung nicht Chefsache ist, dann haben Vertrieb und Marketing ein Problem. Meine Erfahrung ist, es braucht Menschen, die neu ins Unternehmen kommen und eine moderne Denke mitbringen.

 

Daniel Rexhausen: Richtig, aber wie kriegt man genau dieses Verständnis und das Mindset „digital first“ in die Unternehmen hinein?

 

Uli Huener: Erst einmal muss der CEO das wollen und mittragen. Dann muss sich alles der Online-Strategie unterordnen. Es muss ein Ruck durchs Unternehmen gehen und es muss klar sein, dass das auch etwas kostet. Der nächste Punkt lautet: Erfolgsgeschichten erzählen und zeigen, wo die Digitalisierung beim Wettbewerb funktioniert hat. Nehmen wir den Axel Springer Verlag. Gegen das Mindset des bestehenden Print-Regimes haben die gewusst, dass ihr Business digital werden muss. Der Verlag hat seine Strategie konsequent umgesetzt und damit Erfolge eingefahren. Leider nehmen die meisten kein Geld in die Hand, um Neues auszuprobieren, solange es ihnen gut geht und das Geschäft läuft. Und doch sollte genau dann jedes Unternehmen in neue Produkte, digitale Kanäle und gegebenenfalls neue Segmente investieren. Klar, wenn es um komplexe Produkte geht, ist es irgendwann wichtig, face-to-face zu interagieren. Geht es aber um die Qualifizierung von Interessenten im Vorfeld, gilt es einen Leadgeneration-Algorithmus zu finden, der so filtert, dass der Vertrieb am Ende weiß, wo es sich lohnt hinzugehen. Die Gesamtbetriebskosten von der Kaltakquise bis zum Abschluss sollen doch so minimal wie möglich gehalten werden. Ich glaube, dass das, was man im B2C-Umfeld gelernt hat, nun sukzessive in B2B-Sphären wächst. Ich glaube, moderne Leadgeneration ist ein Thema, das für B2B-Geschäfte hoch attraktiv sein wird, weil man eine Menge Arbeit durch Algorithmen erledigen lassen kann, bevor man seine geschulten Key Account Manager auf die Kunden loslässt.

 

Daniel Rexhausen: Die Herausforderung ist natürlich: Im B2C hat man große Datenmengen und kann mit Big-Data-Ansätzen arbeiten. Im B2B muss man es schaffen, Big-Data-Ansätze auf Small-Data-Geschäfte zu übertragen.

 

Uli Huener: Ja, und das ist smart und wird die Zukunft sein. Denn es gibt Firmen wie deine, die sich mit genau solchen Fragen auseinandersetzen. Der Bedarf wird steigen und man muss fair bleiben bei der Frage, was ein Lead denn eigentlich kosten darf. Wenn du nicht weißt, wie viel du dir als Lead leisten kannst, dann hast du ein Problem. Die Antwort darauf ist stark abhängig von der Rohmarge des Produktes. Meine Empfehlung ist, dass man ausprobiert und im Sales Funnel schaut, welcher Aufwand dafür benötigt wird und was in einer ganz einfachen Kostenrechnung unten wieder rauskommt. Die Kunst ist, dem Mittelständer beizubringen, dass er neue Dinge ausprobiert, solange es ihm noch gut geht. Aber manches Unternehmen braucht leider heute immer noch einen „Sense of Urgency“ bevor es reagiert.

 

Daniel Rexhausen: Wünschen wir uns, dass der digitale Drive anhalten wird.

 

Uli Huener: Ich glaube, ein Zurück zu dem alten Normal wird es nicht geben. Die Cleveren und die, die mit Fingerspitzengefühl versuchen, ihr Unternehmen fit zu machen für die Zukunft, werden ihre Lernerfolge mitnehmen und in Zukunft ein Hybridmodell fahren. Man sollte die Krise wirklich als Chance begreifen, alles auf den Prüfstand stellen und schauen, wie man sich weiterentwickeln muss. Wenn man jetzt nicht verstanden hat, wie wichtig in den jeweiligen Märkten Veränderungsbereitschaft ist, dann wird man es nie verstehen.

 

Beitragsbild Quelle: DIMARCON GmbH

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