Michael Groß im Interview über Digital Leadership

Vom Olympiasieger zum erfolgreichen Unternehmer

28. Oktober 2020


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Rexhausen: 21 Titelgewinne aus Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Viermal Sportler des Jahres, zweimal Europas Sportler des Jahres. 1991 dann der Rücktritt vom Leistungssport und die Promotion in Geisteswissenschaften. Gefragter Redner, Buchautor, Familienvater – Ihr Leben liest sich wie eine einzige Erfolgsgeschichte. Herzlich willkommen, Michael Groß.

Groß: Vielen Dank, ich freue mich auf unseren Austausch.

 

Rexhausen: Sie haben in Ihrem Leben bereits ganz früh alles gewonnen, was es im Sport zu gewinnen gibt. Bei Bayern München sprechen viele vom „Gewinner-Gen“: Ist Gewinnen wirklich in der DNA verankert, also angeboren?

Groß: Nein, das ist nicht so. Es gibt ja diese Formel: Erfolg ist 5 Prozent Inspiration, 95 Prozent Transpiration. Und das kann ich bestätigen. Im Sport liegt der Anteil der Transpiration sicherlich höher und da ist natürlich auch der Maßstab, die Messbarkeit sehr objektiv nachvollziehbar. Die Stoppuhr lügt eben nicht. Und messbar ist auch das, was ins Gewinnen investiert wird. Zeit ist messbar, Trainingsintensität usw. auch. Um das mal auf das Leben außerhalb des Sports zu transportieren: Was zeichnet denn erfolgreiche Unternehmer aus? Es wird seit Jahrzehnten versucht, das herauszufinden. Schon in den 30er-Jahren gab es eine Untersuchung, die aufgezeigt hat, dass erfolgreiche Unternehmer beim zweiten Versuch genauso häufig scheitern wie andere auch. Damit gibt es auch kein Erfolgs-Gen für Unternehmer. Eigentlich denkt man ja, wer einmal erfolgreich ist, müsste das reproduzieren können. Das ist aber nicht so. Warum? Weil im wirklichen Leben, in dem es nicht nur um ganz harte und eindimensionale Faktoren wie die Zeit geht, eben auch die Umweltbedingungen stimmen müssen. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Platz sein und die richtige Lösung haben. Das ist im Sport ein bisschen anders. Hier braucht es ein entsprechendes Umfeld und Unterstützung von außen – beispielsweise durch die Eltern. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gene da den geringsten Einfluss haben. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der das stützt: die Epigenetik. Über die Zwillingsforschung hat man herausgefunden, wie sich eineiige Zwillinge, die genetisch identisch sind, durch verschiedene Umweltbedingungen verschiedenartig entwickeln können. Die Umwelt setzt, um den Bogen zur Digitalisierung zu spannen, jeden Tag neue Impulse und bietet ständig neue Dinge, die man nutzen kann oder eben nicht. Diejenigen, die aufmerksam sind und permanent am Ball bleiben – sich also nicht eindimensional bewegen –, haben da einen riesigen Vorteil.

 

Rexhausen: Wir haben ja seit der Finanzkrise je nach Branche acht bis zehn Boomjahre in der Wirtschaft erlebt mit sehr erfolgreichen Unternehmen, sehr guten Zahlen, Auslastungen voll bis unters Dach. Hat dieser Erfolg ein bisschen bequem gemacht?

Groß: Wer  Erfolg hat,  kann schnell nicht nur zufrieden, sondern auch selbstzufrieden werden. Nach meiner beruflichen Erfahrung im Change-Management ist es so, dass gerade erfolgreiche Unternehmen vor der Herausforderung stehen, sich genau an diesem Punkt zu verändern. Eigentlich ist bestehender Erfolg die beste Situation, um Veränderungen anzustoßen. Man befindet sich in einer Position der Stärke – nicht nur finanziell – und kann der Zukunft entspannt entgegenblicken. Dauerhaft erfolgreiche Unternehmen machen das auch so. Wer dann  fest hält , was er hat und sich nicht überlegt, wie er in Zukunft weiter erfolgreich sein kann, wird auf Dauer ein Problem haben. Sprich: Erfolg von heute kann zur größten Gefahr für den Erfolg von morgen werden. Meiner Meinung nach ist  kommt dieses Bewusstsein in Deutschland inzwischen an.

 

Rexhausen: Definitiv. Unser typischer Kunde zählt zum klassischen Mittelstand in Deutschland: Maschinen- und Anlagenbau, verarbeitendes Gewerbe, Zulieferer, industrienahe Dienstleistungen. Viele davon haben einen sehr kritischen Blick auf sich selbst, was das Thema Digitalisierung und Industrie 4.0 anbelangt. Sie können ihrem Umfeld in einem Punkt weit voraus sein und betrachten sich trotzdem sehr kritisch. Woher kommt das? So eine Selbstkritik kann ja entweder zu besseren Entscheidungen oder auch zu Lähmung und Schockstarre führen – wie kommt man da raus?

Groß: Der klassische deutsche Mittelstand, sprich Ihre Kunden, ist schon in einer Situation, in der dieser kritische Blick auf sich selbst einen großen Vorteil hat. Zu sagen: „Hey, wir haben da was zu tun. Wir haben diese Vernetzung dank Industrie 4.0 und wir haben bestimmte Themen, die wir durch die Digitalisierung angehen können.“ Und dann sollte aus dem kritischen Blickwinkel der positive kommen, nämlich dass durch die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten entstehen, wie die Vernetzung der Produktion.

 

Rexhausen: Ich glaube, dass die Digitalisierung kommt und dass sie einen ziemlichen Einfluss auf die Industrielandschaft, Servicemodelle, Kooperationsmodelle, Bezahlmodelle, hat, ist relativ unumstritten. In Ihrem Buch „Digital Leader Gamebook“ beschreiben Sie den „Digital Leader“. Was zeichnet so eine Führungskraft aus und was unterscheidet sie von einer analogen Führungskraft? Gibt es überhaupt noch eine analoge Führungskraft?

Groß: Es gibt eine traditionelle Führungskraft. Ein Digital Leader als Führungskraft zeichnet sich dadurch aus, dass er wesentlich offener ist,  neue Rollen einzunehmen Das ist das erste Wichtige. Warum ist das so wichtig? Stichwort Vernetzung und Offenheit. Er nimmt die Rolle des Brückenbauers, des Impulsgebers, Empfehlers und Vernetzers seiner eigenen Leute ein. Eine Führungskraft ist heute eher eine Spinne im Netz, die die verschiedenen Fäden nicht selber zieht, sondern organisiert und orchestriert und dadurch Mehrwert erzeugt – als Netzwerker und nicht nur als Entscheider und Kontrolleur. Das ist ein wichtiger Aspekt und formelhaft etwas zugespitzt:Ein Digital Leader hat Lust am Machtverlust. Dass eine Führungskraft – egal ob im Team oder auf Geschäftsführungsebene – im digitalen Zeitalter alles selber entscheiden oder Entscheidungen treffen kann, die auf einer soliden Planungsbasis fundieren, ist eine Illusion. Das ist immer seltener möglich.. Überspitzt gesagt zeichnet sich eine gute Führungskraft als Digital Leader im Alltag dadurch aus, wie viele echte „Follower“ die Person im Unternehmen hat und wie relevant sie als Spinne und Netzwerker ist und nicht so sehr, was auf ihrer Visitenkarte steht. Nur weil ich Senior Vice President bin oder Geschäftsführer, heißt das noch lange nicht, dass ich für die Entwicklung des Unternehmens alleine Verantwortung trage und alleine entscheide. Da können auch ganz andere Menschen eine Rolle spielen – ob Führungskraft oder nicht – und das muss ich zulassen und zulassen wollen. Besonders im Ingenieursbereich steht der bisherige Fokus auf die reine technologische Funktionalität  ganz neuen Innovationen für höheren Kundennutzen oft im Weg. Der Vorteil in der Anwendung entscheidet, Technologie ist dafür nur ein Mittel. Digital Leader sind in der Lage, schneller etwas sein zu lassen, um Neues vor sich aufzunehmen. Dass ein Verantwortlicher ein Projekt für ein Jahr laufen lässt und dann schaut, was für das Budget erreicht wurde, das ist wirklich „Old School“..

 

Rexhausen: Ist aber gelebte Praxis von mittelgroß bis Konzern.

Groß: Ich bin überzeugt, das verändert sich. Dafür engagiere ich mich in meinen Projekten. Und das ist ja auch das Spannende an dieser Entwicklung: Zu schauen, was in anderen Bereichen jetzt möglich ist – zum Beispiel im Marketing und Vertrieb, um den Bogen zu DIMARCON zu spannen. Es macht heutzutage keinen Sinn mehr, eine Marketing- und Vertriebsplanung für ein gesamtes Jahr zu machen. Im B2B-Bereich gibt es ein paar Highlights, wie solche klassischen Branchenmessen, wenn sie denn wieder stattfinden. Ich weiß auch von Kunden, da ist die Hannover-Messe das absolute Highlight, weil Menschen aus der ganzen Welt kommen. Klar, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Da wird ein ganzer Strauß an Maßnahmen um die Messe herum entwickelt. Im Übrigen muss man sehr flexibel sein und auf geändernte Umweltbedingungen schnell reagieren. Was sind da für Themen, die plötzlich hochkommen und zwar von Kundenseite oder Branchentrends, mit denen wir dann etwas anstellen können? Das muss dann kurzfristig adressiert werden können, um dann beispielsweise mit Outbound-Marketing dementsprechend diesen akuten Bedarf und diesen akuten Anlass abzudecken.

 

Rexhausen: Haben Sie in Bezug auf die Ingenieurslandschaft den Eindruck, dass das Thema Agilität da durchgängig angekommen ist? Vor allem bezogen auf Marketing und Vertrieb stellen wir immer wieder fest, dass die Bereitschaft, sich von Gewohntem abzuwenden und sich bewusst für neue Wege zu entscheiden, ziemlich unterentwickelt ist. In Corona-Zeiten wird das gerade besonders deutlich: Jetzt ist Krise, wir haben Pandemie. Die ganze bisherige Marketingplanung, das gesamte Instrumentarium, das rundum Industriemessen entwickelt wurde, ist im Moment ein zahnloser Tiger. Viele Unternehmen bleiben einfach stehen, weil sie nicht wissen, was sie konkret tun sollen. Sie sagen: „Ich kann nicht, das was ich kann funktioniert nicht.“ Das ist ja in erster Linie ein Mindset-Thema.

Groß: Es gibt immer das berühmte „ja, aber“. Es gibt immer tausend Gründe, etwas nicht zu tun – selbst bei der tollsten Idee. Unsere Trainings beginnen damit, das „ja, aber“ in „ja, und“ umzuändern, weil diese Haltung Türen öffnet. Ja, und … was kann ich tun, was machen ir als nächstes, usw.  Dann geht es darum, kleine Schritte zu machen und nicht sofort den großen Wurf zu erwarten. Beispielsweise jetzt in Corona-Zeiten gilt eine klassische Marketing Regel: Wenn ein Pferd nicht saufen will, kann man noch so viele Eimer hinstellen – es wird nicht trinken. Wonach Durst besteht in unserem Geschäft ist: Was braucht es, um auf Distanz zu führen? Wo liegen Klippen und Fallstricke? Aktuell geht es bei uns häufig darum, wie man Unternehmen beim Thema Remote Leadership jetzt weiterhelfen kann. Wir alle lernen, was Digital Leader auszeichnet:   Nicht erst anfangen, etwas zu tun, wenn man einen Businessplan hat. Das funktioniert nicht. Das ist natürlich eine Herausforderung für die Investitionsplanung. Ich kann ja nicht ohne Businessplan in eine Fabrik investieren, der vorgibt, wie diese Fabrik ausgelastet wird. Absolut fair und nachvollziehbar. Wenn es diesen Plan aber nicht gibt, braucht es Digital Leader, die im Kleinen wirken und so das Große möglich machen.

 

Rexhausen: Was ist für Sie eine klassische Aufgabenstellung, wenn Sie zum Kunden gerufen werden? Was ist das Thema?

Groß: Unser Idealprojekt ist: Das Unternehmen hat einen konkreten Anlass wie eine Restrukturierung,Transformation oder eine Transaktion mit einem klaren Ziel. In einer akuten Situation wie jetzt sind häufig die Hardcore-Restrukturierer gefragt, die auf Kostenseite das Skalpell ansetzen. Wir helfen Unternehmen, mehr aus den künftig vorhandenen Ressourcen zu machen und neue Perspektiven zu schaffen. Unser Anspruch ist, z.B. bei einer Übernahme aus Eins und Eins nicht 1,8 zu machen, sondern mindestens 2 oder mehr. Und wir wissen ganz genau, wie das funktioniert und machen das dann für das Unternehmen. Das ist genau so ein klassischer Fall für uns wie typisches Change Management oder Talent-Prozesse bei IT-Einführungen mit Cutovers. Wir sind nicht diejenigen, die das technologisch machen. Wir sorgen aber dafür, dass die Mitarbeiter mitgenommen werden, sich einbringen können, dass die Lernkurve steigt und der Prozess nicht nur rein technologisch betrachtet wird. Wir sorgen nicht nur für das Wissen, wir schffen auch den Willen zur Veränderung. Und dann bewegt sich viel!

 


Über Michael Groß:

Durch seine sportlichen Erfolge bekannt geworden, berät Michael Groß heute Unternehmen im Change-Management und Talent- Management. Außerdem ist er als Dozent, Redner, Trainer und Autor aktiv. Mehr unter www.gross-cie.com

 

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