Perspektivwechsel mit Detlef Kloke

Ein Verkäufer muss die Sprache der Kunden sprechen

18. März 2021


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„Digitalisierung hat ein Problem: Sie lässt den Zufall nicht wirklich zu“, sagt Detlef Kloke, Senior Director Marketing & Technical Sales bei Phoenix Contact, im Interview mit Marktführer-Herausgeber Daniel Rexhausen.

 

Daniel Rexhausen: Das vergangene Jahr war für uns alle eine ziemliche Herausforderung. Wir haben einen Schock erlebt, der von jetzt auf gleich über uns kam. Wie sind Sie mit dem Jahr 2020 umgegangen?

 

Detlef Kloke: Der Schock ist ja total menschlich. Spannend ist, wie ich das Thema für mich annehme. Sehe ich das als Katastrophe oder sehe ich das einfach mal als Chance. Die Krise ist auch ein Beschleuniger, der uns hilft, eine neue Marktposition einzunehmen. Mal etwas besser zu machen als der Wettbewerb. Mal schneller zu sein als andere. Phoenix Contact hat in China eine langjährige Niederlassung, wir mussten uns also gleich von Beginn an mit dem Thema Corona beschäftigen. Kulturell getrieben und vom Inhaber geprägt, sind wir sehr klar auf den Schutz unserer Mitarbeiter aus. Also haben wir frühzeitig getrennte Schichten und sichere Arbeitsplätze in der Produktion eingerichtet, Übergabeszenarien entwickelt, mobiles Arbeiten ermöglicht und für unsere Mitarbeiter ein Corona-Testzentrum errichtet. Mit all diesen Maßnahmen bewegen wir uns bis heute deutlich über den politischen Erwartungen. Wenn Mitarbeiter merken, dass ihr Arbeitgeber mit einer Situation professionell umgeht, wirkt das auf ihr Handeln und Tun. Für das operative Management – die Fertigung, die Logistik, das Netzwerk, den Austausch und die Kommunikation mit den Kunden – haben wir eine Task Force ins Leben gerufen. Die hat sich unternehmensübergreifend mit Maßnahmen für die genannten Bereiche beschäftigt und Guidelines herausgegeben. Deutschlandweit konnten wir sehr schnell 3.700 Mitarbeitern mobiles Arbeiten ermöglichen. Wir haben davon profitiert, dass wir den Home-Office-Prozess schon Jahre vor der Pandemie in Gang gesetzt haben. Mobiles Arbeiten müssen Sie können und wollen. Es braucht dafür die richtige Technologie und das richtige Mindset.

 

Daniel Rexhausen: Ihre Mitarbeiter sind nun aber schon über Monate hinweg im Home-Office. Wie schaffen Sie es, den kulturellen Unternehmensspirit über verteilte Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten?

 

Detlef Kloke: Der „alte Hase“ im Vertrieb ist es gewohnt auf der Straße zu sein. Nur weil ich ihm die technischen Möglichkeiten zur Heimarbeit gebe, muss er die nicht bedienen können. Deshalb braucht er kleine Lerneinheiten, wir nennen das Lern-Nuggets, mit denen der Außendienstler sich neue Kompetenzen aneignen kann. Die Zeit, die er früher im Auto gesessen hat, braucht er jetzt, um sich mit der neuen Situation zu arrangieren, um zu lernen, zu testen und zu machen. Das ist die erwähnte Chance der Pandemie auf Mitarbeiterseite. Als Führungskraft muss ich Zeit für Gespräche mit den Mitarbeitern organisieren und planen. Sie begegnen mir ja nicht mehr jeden Tag auf dem Flur. Entscheidend ist, nicht ausschließlich nach Calls, Abschlüssen und Erfolgen zu fragen. Auch die persönliche und individuelle Situation am Heimarbeitsplatz muss Führungskräfte interessieren. Das auszublenden wäre töricht.

 

Daniel Rexhausen: Phoenix Contact ist ein Unternehmen, das auf Messen immer große Präsenz gezeigt hat. In 2020 haben Sie verkraften müssen, dass alle relevanten Messen ausgefallen sind. Wie sind Sie denn damit umgegangen?

 

Detlef Kloke: Unser Seniorchef Klaus Eisert ist viele Jahrzehntelang lang jeden Tag auf der Hannover Messe gewesen. Eine Messe emotionalisiert und macht Mitarbeiter stolz. Sie spüren die Relevanz des eigenen Unternehmens auf der Messe. Natürlich werden die Messekosten schöngerechnet. Und ehrlich gesagt, wir betrachten Messen seit Jahren nicht mehr als Verkaufsmessen. Verkaufen funktioniert heute nicht mehr eindimensional; 70 bis 80 Prozent der Verkaufsentscheidungen sind digital gefallen, bevor der Kunde mit dem Unternehmen in Kontakt tritt. Der Verkäufer ist wichtig, er ist der Kundenmanager. Den wird es auch ohne Messe morgen noch geben. Er wird dafür sorgen, dass der Kunde einen dezidierten Kanal im Unternehmen hat, dass er weiß, an welcher Stelle er seine Probleme loswerden kann und dass genau da jemand ist, der ihm hilft. Freundschaften entstehen immer dann, wenn es eng wird. Der Kundenbesuch findet sowieso statt, auch jenseits der Messe. Nun fällt sie weg und da zeigte sich wieder der Mut, den wir haben. Wir haben ein Projektteam aufgestellt und innerhalb von sechs Wochen unsere „Dialog Days“ auf die Bühne gebracht mit virtueller Messe, Fachvorträgen, Dialogplattform und Chats. In unserer Branche waren wir die schnellsten, sogar schneller als die Messegesellschaften. Natürlich ist so eine Veranstaltung nicht beim ersten Versuch absolut gelungen. Typische Fragen sind: Wo ist die Abgrenzung zur Webseite? Wie kriege ich spannende Vorträge hin? Wie versende ich Einladungen, die ziehen? Hut ab vor dem Team dahinter. Die waren mutig genug Chancen zu suchen, bereit Fehler zu machen und auch mal was quer laufen zu lassen, um es in der nächsten Phase besser zu machen. Irgendetwas machen ist immer besser als gar nichts zu machen. Unternehmer kommt von unternehmen.

 

Daniel Rexhausen: Bei klassischen Mittelständlern ist der Vertrieb mit Innen- und Außendienst aufgestellt und auf regionale Gebiete aufgeteilt. Wie funktioniert das integrativ?

 

Detlef Kloke: Für unseren Vertrieb haben wir territoriale Gebiete entwickelt, nicht nur um die Reisezeit zu verringern, sondern auch um die Sprache der Region zu sprechen. Ein guter Verkäufer aus Sachsen würde in Bayern wahrscheinlich untergehen. Da kann er gar nichts zu, das ist eine Frage der Authentizität. Wir haben eine Vertriebsspeerspitze und die hat ein Innendienstteam hinter sich stehen. Dann haben wir technische Verkäufer und Kollegen, die aus Branchenperspektive reden und sich mit Verkäufern und Schlüsselkunden über regionale Grenzen hinweg über kundenspezifische Applikationen austauschen. Die Mitarbeiter, die territorial unterwegs sind, sind natürlich prinzipiell Einzelkämpfer, aber der Regler verschiebt sich zum Teamplayer. Das Zusammenspiel darf keine Show sein, es muss authentisch bleiben, dann ist das der Schlüssel zum Erfolg.

 

Daniel Rexhausen: Phoenix Contact ist nicht klein. Welche Rolle spielt der Neukunde noch bei Ihnen, wie wichtig ist er?

 

Detlef Kloke: Wir haben eine Neukundenquote. Aber das ist nicht das führende Element bei uns. In Deutschland sind wir in der komfortablen Situation, dass jeder, der sich mit Elektrotechnik beschäftigt, zumindest von uns schon einmal gehört hat. Wir haben selten bis nie ein Problem damit gehabt, einen Termin beim Kunden zu bekommen. Die Marktführerschaft macht uns das einfach. Also muss ich mir überlegen, wie ich diejenigen erreiche, die mich noch nicht auf dem Zettel haben. Wir sind in der Awareness von Kunden noch häufig ein C-Materialien-Lieferant, nicht vom Umsatz aber von der Bedeutung der Einzelkomponenten her. Die Frage lautet also: Wie definieren wir einen Neukunden? Es gibt die, die bislang noch gar nicht bei uns gekauft haben. Und es gibt die Kunden, die sich bereits in einem Lösungsbereich bei uns versorgen, für die das Gesamtunternehmen aber noch viele andere Potenziale bereithält. Ist das dann auch ein Neukunde, nur in einem anderen Produktbereich? Und schon stehen wir vor dem Thema Cross Selling und der Herausforderung das vernünftig anzugehen. Das realisiere ich über vorhandene Kontakte, beispielsweise digitale Meetings mit dem Kunden und klassische Dialogmedien.

Der derzeit erfolgreichste Weg für beide Perspektiven – neben dem persönlichen Beratungsgespräch – ist unser kundenspezifischer Newsletter. Der Kunde kann sich sein Interessens- und Themengebiet selbst aussuchen. Er redaktioniert sich seinen relevanten Content quasi selbst. Wir versorgen ihn dann mit Informationen, die nicht werblich sind, sondern einen Benefit bieten und attraktiv sind. Wir haben Newsletter für Planer, für Schaltschrankbauer, für Maschinenbauer und andere mehr. Einen hohen Stellenwert haben Newsletter mit relevanten Inhalten für spezifizierte Empfängergruppen, die den Nutzwert erkennen können. Deshalb hänge ich auch immer bei den Zahlen – also bei der Quantität der Leads. Für mich sind die qualitativen Leads wichtig. Wir kennen das alle aus dem Fußball: Am Ende des Tages zählen zwar nur die Tore. Um diese zu erzielen gibt es aber unterschiedliche Wege, die man auch messen und bewerten kann. Es geht um die Laufleistung, Zweikampfquoten, Vorwärtsbewegungen und die Torschüsse. Es gibt eine Menge an möglichen Kennzahlen und nicht alle muss man kennen und messen – aber die relevanten. Wenn wir also das Thema Leadkosten besprechen, müssen wir erst einmal definieren, was überhaupt ein Lead ist und dafür ein gemeinsames Verständnis schaffen.

 

Daniel Rexhausen: Sie haben gesagt, kundenspezifische Newsletter funktionieren am besten. Man kann das auf die Spitze treiben mit Marketing Automation, die Nutzern verhaltensgesteuerten Content zuordnet. Sind Sie da dran?

 

Detlef Kloke: Wir machen das in Teilbereichen, aber nicht extrem, weil wir uns ein Stück weit dagegen entschieden haben. Wir kennen das auch aus anderen Bereichen: Der Grat zwischen Bewunderung für die technische Möglichkeit und der Furcht, durchleuchtet zu werden, ist messerspitz. Durch gezielte Manipulation kann man Misstrauen erzeugen. Meine ehrliche Meinung dazu ist, wenn ich, auf einer Webseite war und kurz darauf von dem betreffenden Unternehmen angesprochen werde, gehe ich da nicht mehr hin. Wann also automatisiere ich mit eigener AI so, dass es cool ist, und wann nicht? Authentizität und mehrwertiger Inhalt sind wichtiger. Wenn ich nichts zu sagen habe, das den Kunden interessiert, dann muss ich das auch nicht tun. Wir sind seit fast hundert Jahren der Meinung, alle Macht geht vom Produkt aus, auch morgen noch. Das interessiert den Kunden aber heute nicht mehr wirklich. Heute geht es um die Aufgabenstellung, die er lösen muss. Also fangen wir mit der Story an, nicht mehr mit dem Produkt. Wir müssen spannende Storys und mehrwertigen Content parat haben. Der hilft uns dabei, für die Zielgruppe relevant zu sein. Contenterstellung und Storytelling sind die Themen, auf die Wert gelegt werden muss. Was ist eigentlich meine Core Story, die ich zu erzählen habe, und was ist der zielgruppenspezifisch relevante Content? Wenn wir über Megatrends sprechen wollen, dann ist das ein Megatrend. Die Gefahr der digitalen Welt ist, dass man Antworten liefert, ohne die Fragestellung des Kunden zu kennen.

 

Daniel Rexhausen: Ich stimme Ihnen zu, AI und Machine Learning führen auch zu Monoinformation. Wir bleiben nicht innovationsoffen, wenn wir alles mit einem Algorithmus ansteuern.

 

Detlef Kloke: Hundertprozentig. Das Spannende ist doch das Unerwartete zwischen Tür und Angel. In der Webwelt sind wir Menschen manipulierbar. Das beste Versteck ist die Seite zwei bei Google. Entweder Sie zahlen für Werbung oder fertigen suchmaschinenoptimierte Texte an, um auf die erste Seite zu kommen. Nur wollen Sie diese Texte lesen? Auch im B2B möchte ich nicht manipuliert werden. Ich möchte für mich aus voller Bandbreite das ableiten, was relevant ist. Innovationen passieren auch mal auf Grund von technischen Errungenschaften und nicht, weil jemand danach gesucht hat. Digitalisierung hat ein Problem: Sie lässt den Zufall nicht wirklich zu. Alles ist geplant. Innovation entsteht aber häufig auch durch Langeweile.

 

Daniel Rexhausen: Absolut, Digitalisierung ist an manchen Stellen ein Innovationshemmer, weil ich nicht mehr nach rechts und links schaue.

 

Detlef Kloke: Unternehmen hatten vor Jahren den Trend, Kommunikationsplätze wie die Kaffeeküche im Zentrum der Büroetage zu schaffen. Hier helfen sich die Menschen gegenseitig. Das haben wir zwar in der digitalen Welt versucht nachzustellen, aber ich habe noch nichts gefunden, was einen ähnlichen Charakter hat. Das ist das, was ich vermisse: Sich mit Kollegen einfach mal über den Tellerrand auszutauschen, zu erzählen und darüber einen neuen Impuls zu bekommen. Und das ist es auch, was mir im Moment im Umgang mit den Kunden fehlt. Aber es nutzt nichts, die Situation ist, wie sie ist, und ich muss mit dem umgehen, was aktuell am besten funktioniert. Dann ist ein virtuelles Meeting mit dem Kunden halt manchmal die zweitbeste Möglichkeit, aber ich mache es so. Engagieren, ausprobieren, nicht mit der Situation hadern. Das sind die wichtigen Dinge. Dann wird man auch als Gewinner aus der Krise herauskommen.

 

 

Beitragsbild Quelle: ©PHOENIX CONTACT Deutschland GmbH

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