Perspektivwechsel mit Rechtsanwalt Stefan Zdarsky

Die Fakten und Auswirkungen der DSGVO

14. November 2020


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DSGVO: „Wir brauchen Erleichterung, erleben aber Verschärfungen.“

Daniel Rexhausen spricht mit Stefan Zdarsky, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtschutz und Experte für Datenschutz:

Daniel Rexhausen: Herr Zdarsky, die Datenschutzgrundverordnung war für viele Unternehmen eine große Unbekannte, ein Damoklesschwert, eine Bedrohung am Himmel: Ist es so schlimm gekommen wie viele es erwartet haben? Gab es die befürchtete Abmahnwelle?

Stefan Zdarsky: Die DSGVO ist inzwischen seit zweieinhalb Jahren in Kraft und hat sich in der Rechtspraxis stark ausgewirkt. Unternehmen müssen vieles organisieren, umstellen, Dokumente vorhalten und allgemein Überlegungen dahingehend anstellen, wie sich das Ganze formalistisch sicherstellen lässt. Die befürchtete Abmahnwelle gab es so allerdings nicht und kann es in dieser Form heute auch gar nicht mehr geben.

 

Daniel Rexhausen: Woran liegt das?

Stefan Zdarsky: Es gab am Anfang in der Tat den Versuch über Abmahnungen vorzugehen. Der Europäische Gerichtshof hat allerdings zwischenzeitlich entschieden, dass das Regularium der DSGVO abschließend ist. Dies sieht kein Abmahnen von Wettbewerbern, sondern ein Vorgehen rein über die Aufsichtsbehörden vor. Abmahnungen sind daher nicht mehr so einfach.  

 

Daniel Rexhausen: Das heißt aber trotzdem: Wenn mich ein anderes Unternehmen nicht gerade anschwärzt, ist es unwahrscheinlich, dass mich die Behörde erwischt?

Stefan Zdarsky: Ja, das Hauptrisiko für das Tätigwerden von Datenschutzbehörden geht von Betroffenen oder Wettbewerbern aus.

 

Daniel Rexhausen: Bringen wir doch mal Licht ins Dunkel. Die DSGVO ist für viele Unternehmen ein rotes Tuch, aber wirkliches Wissen haben die wenigsten. Was genau versteckt sich dahinter?

Stefan Zdarsky: Es handelt sich um eine Verordnung der europäischen Gemeinschaft, die direkt im nationalen Recht der Mitgliedsstaaten gilt. Sie dient als gesetzliche Grundlage, wie früher das Bundesdatenschutzgesetz und geht mit bestimmten Plichten einher, die bei Nichteinhaltung sanktioniert werden. Mit personenbezogenen Daten müssen Betroffene in einer bestimmten Weise umgehen und sie nur für die Zwecke verwenden, für die sie erfasst wurden. Dies erfordert außerdem eine Zustimmung des Besitzers angesprochener Daten.

 

Daniel Rexhausen: Nehmen wir mal einen konkreten Fall: Ich komme auf eine Messe und gebe meine Visitenkarte bei einem Vertriebler ab und der erfasst die Daten in einer Software – was darf er in dem Fall mit den Daten tun?

Stefan Zdarsky: Die einfachste Antwort lautet: eigentlich nichts. Das ist ein ganz großer Einschnitt durch die DSGVO gewesen. Dieser Vertriebler benötigt eine klare Einwilligung, diese Daten nutzen zu dürfen. Früher war es selbstverständlich sie zu erfassen und weiter zu verarbeiten. Heute muss der Verwendungszweck vorher klar kommuniziert und die Einwilligung möglichst schriftlich eingeholt werden.

 

Daniel Rexhausen: Ein Fall den wir bei DIMARCON relativ häufig erleben: Wir kontaktieren ein Unternehmen erstmalig, ein dortiger Mitarbeiter erfragt Informationen und übergibt seine persönliche Mailaddresse. Reicht das als Dokumentation für eine Einverständniserklärung?

Stefan Zdarsky: Die DSGVO schützt die personenbezogenen Daten von natürlichen Personen und nicht von Firmen. Sie schützt Daniel Rexhausen, aber nicht die DIMARCON GmbH – für Letzteres bestehen andere Gesetze. Wenn dieser Mitarbeiter also seine persönliche Zustimmung gegeben hat und diese auch protokolliert oder bestenfalls mit Unterschrift dokumentiert wird, reicht dies als Erklärung. 

 

Daniel Rexhausen: Bestehen dort noch Graubereiche?

Stefan Zdarsky: Grundsätzlich ist die Regelung so klar wie juristische Sachverhalte es sein können. (lacht) Entscheidend bleibt die Frage, ob bewiesen werden kann, dass die Einwilligung gegeben wurde.

 

Daniel Rexhausen: Nehmen wir an, dieser Interessent wird tatsächlich Kunde. Was verändert sich in Bezug auf die Datennutzung?

Stefan Zdarsky: Das hängt von der Vereinbarung über die Datenerfassung ab. Am besten eignet sich eine vorbereitete Datenschutzerklärung mit allen relevanten Informationen, die der Kunde unterschreibt. 

 

Daniel Rexhausen: Wie lange darf ich seine Daten dann verwenden?

Stefan Zdarsky: So lange der Kunde Kunde ist. Sollte dies nicht mehr so sein, entfällt auch der Grund für die Datenschutzerklärung. Alles darüber hinaus muss separat festgehalten werden.

 

Daniel Rexhausen: Oft besitzen Unternehmen sehr viele Bestandsdaten von langjährigen Kunden, die damals noch keine Datenschutzerklärung unterschrieben haben. Wie sollten sie da vorgehen?

Stefan Zdarsky: Der sichere Weg ist sie zu kontaktieren und unterschreiben zu lassen.

 

Daniel Rexhausen: Das ist administrativ ein riesiger Aufwand und wahrscheinlich antworten darauf sogar die wenigsten. Gibt es eine Alternative?

Stefan Zdarsky: Auch wenn er impraktikabel ist, wird dieser Weg vom Gesetzgeber vorgegeben und ist der einzig wirklich sichere. Alternativ könnten die Unternehmen auch ein Schreiben an die Kunden rausgeben mit der Aufforderung aktiv zu widersprechen, sollte eine Verwendung der Daten auf Grundlage der bestehenden Geschäftsbeziehung nicht erwünscht sein. Da befinden wir uns allerdings in einer Grauzone.

 

Daniel Rexhausen: Durch die Praxis geistert immer wieder der dubiose Begriff „mutmaßliches Einverständnis“. Gibt es Konstellationen, in denen dieses greift?

Stefan Zdarsky: Generell sind Kontaktaufnahmen ohne vorherige Einwilligung, die nur auf Mutmaßungen fußen, immer sehr risikobehaftet – allein schon aufgrund der Gesetze zu unlauterem Wettbewerb. Erlaubt bleibt der schriftlich postale Weg. Das schränkt auch die DSGVO nicht weiter ein.

 

Daniel Rexhausen: Einfach gesagt wird damit doch dem Unternehmen die Möglichkeit genommen, aktiv auf den Kunden zuzugehen, außer per Dialogpost. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein.

Stefan Zdarsky: Das ist definitiv nicht im Sinne des Erfinders, aber so ist das deutsche Rechtssystem.

 

Daniel Rexhausen: Das widerspricht ja allem, was Digitalisierung anbelangt. Muss der Gesetzgeber da nicht nachbessern?

Stefan Zdarsky: Es wäre wünschenswert, denn zurzeit wird die Briefpost grundlos privilegiert. Ist die digitale Zusendung denn wirklich belastender als der Postweg? Ist das noch zeitgemäß? Interessante Fragen, aber zur Klärung bedarf es einer Gesetzesänderung – dass dafür die notwendigen Mehrheiten vorhanden sind, wage ich stark zu bezweifeln.

 

Daniel Rexhausen: Das klingt so, als wäre in diese Richtung nichts unterwegs.

Stefan Zdarsky: Ich sehe eher, dass eine weitere Verschärfung stattfindet, was die Datennutzung betrifft. Wir brauchen Erleichterung, erleben aber Verschärfungen.

 

Daniel Rexhausen: Wie verhält sich das Ganze bei sozialen Medien wie LinkedIn, die doch offensichtlich zum Netzwerken gedacht sind?

Stefan Zdarsky: Da ist in der Tat die Schwelle nicht so hoch, weil oftmals schon in der Profilbeschreibung von einem Wunsch nach neuen Geschäftskontakten die Rede ist. Damit ist die mutmaßliche Einwilligung bereits gegeben. Dies kann sogar im späteren Verlauf weiteren Telefon- oder Mailkontakt rechtfertigen, wenn der Verlauf der Kontaktaufnahme bei LinkedIn entsprechend dokumentiert wird.

 

Daniel Rexhausen: Müssten solche Plattformen dann nicht boomen?

Stefan Zdarsky: Fakt ist, dass die Plattformen schon deutlich wachsen und auch wirtschaftlich bereits eine wichtigere Position einnehmen. Das ist aber auch ein Generationenkonflikt: Entscheider sind oft noch in unserem Alter und damit oftmals stärker an traditionelle Kommunikationswege gewöhnt. In Zukunft werden diese Plattformen also noch deutlich mehr boomen und ich behaupte, dann wird es auch stärkere Regularien geben. Momentan sind sie ausschließlich über die AGB der Plattformbetreiber geregelt. Diese sind natürlich interessiert an einer intensiven Nutzung, lockern aus diesem Grund die Datenschutzvorschriften sehr und ermöglichen dadurch diese Kontakte viel leichter.

 

Daniel Rexhausen: Google Ads stellt sich als erfolgreiches Tool heraus, um potenzielle Kunden beispielsweise auf eine Unternehmenswebsite zu lotsen. Google hantiert aber natürlich auch mit personenbezogenen Daten – formal muss dahingehend eine separate Vereinbarung getroffen werden, richtig?

Stefan Zdarsky: Korrekt. Jeder, der sich Informationen dieser Art von Google beschafft, verpflichtet sich eine Auftragsdatenverarbeitungsvereinbarung zu treffen. Das ist relativ unschwer machbar. Zusätzlich müssen Unternehmen auf ihren Webseiten zum Ausdruck bringen, dass sie Google Ads verwenden.

 

Daniel Rexhausen: Sie betreuen relativ viele Kunden im Digitalbereich. Gibt es da Fehler, die häufig passieren, sich aber einfach vermeiden lassen?

Stefan Zdarsky: Es kommt oft vor, dass der Webseitenbetreiber nicht weiß, was der Programmierer alles eingebaut hat und deswegen eine falsche Datenschutzerklärung angibt. Außerdem sind Fehler bei der Erstellung des Impressums weit verbreitet. Daraus resultiert eine hohe Abmahngefährdung.

 

Daniel Rexhausen: Abmahnungen lassen sich ja auch automatisieren.

Stefan Zdarsky: Das passiert, Kollegen machen das intensiv. Ich schätze dieses Geschäftsmodell nicht, auch wenn ich dadurch indirekt betroffen bin…

 

Daniel Rexhausen: Sie vertreten ja die Gegenseite.

Stefan Zdarsky: … und auch irgendwie davon profitiere. Genau. (lacht) Aber das ist kein schön verdientes Geld.

 

Daniel Rexhausen: Lassen Sie mich zusammenfassen: Nimmt ein Unternehmen nun ungefragt Kontakt auf und der Angesprochene möchte wissen, woher es seine Daten hat, muss das Unternehmen diese Informationen offenlegen, richtig?

Stefan Zdarsky: Als erstes muss das Unternehmen begründen, warum es der Meinung ist, den Angesprochenen kontaktieren zu dürfen. Das geht dann meistens mit einer Offenlegung einher.

 

Daniel Rexhausen: Herr Zdarsky, vielen Dank.

Stefan Zdarsky: Sehr gerne.

 

Kontakt:
Stefan Zdarsky – Fachanwalt für Gewerblichen Rechtschutz
Zdarsky Wirtschaftsrecht
Tel. +49 (0) 69905456290
E-Mail:
kanzlei@zdarsky-wirtschaftsrecht.de

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